Die Feuchtkugeltemperatur, auch als Kühlgrenztemperatur bezeichnet, ist der entscheidende Parameter für die Effizienz jeder Verdunstungskühlanlage. Sie bestimmt die niedrigste erreichbare Kühltemperatur und damit die Leistungsgrenze von Nasskühltürmen und Nasszellenkühlern.
Der große Vorteil: Verdunstungskühlung kann selbst an heißen Sommertagen deutlich niedrigere Kühlwassertemperaturen erreichen als luftgekühlte Systeme.
Diese Kühlgrenztemperatur spielt jedoch nicht nur in der Technik eine kritische Rolle, sondern auch für die menschliche Gesundheit: Bei Feuchtkugeltemperaturen über 35 °C kann der Körper seine Wärme nicht mehr abführen – mit potenziell tödlichen Folgen.
Inhalte
Was ist die Feuchtkugeltemperatur? – Einfach erklärt
Die Feuchtkugeltemperatur ist die niedrigste Temperatur, die ein Luftpaket allein durch Verdunstung von Wasser erreichen kann. Sie liegt immer unter der normalen Lufttemperatur (Trockenkugeltemperatur) – außer bei 100 % Luftfeuchtigkeit, wenn beide Werte identisch sind.
Die Feuchtkugeltemperatur ist ein thermodynamischer Parameter, der zeigt, wie viel Potenzial für Verdunstungskühlung noch in der Luft steckt. Je trockener die Luft, desto größer der Unterschied zwischen Trocken- und Feuchtkugeltemperatur – und desto effektiver funktioniert die Kühlung durch Verdunstung.
Wer benötigt die VDI 2047-Schulung?
Die VDI 2047-Schulung richtet sich an alle, die für den Betrieb, die Wartung oder die Inbetriebnahme von Verdunstungskühlanlagen, Kühltürmen oder Nassabscheidern verantwortlich sind – also an alle, die mit der Hygiene von Kühlwassersystemen in Berührung kommen.
➨ Kurz gesagt: Alle, die mit Planung, Betrieb oder Kontrolle von Verdunstungskühlanlagen zu tun haben, sollten die VDI 2047-Schulung absolvieren – sie stellt sicher, dass Anlagen hygienisch einwandfrei, effizient und rechtssicher betrieben werden.
Die Kühlgrenztemperatur als kritische Designvariable einer Verdunstungskühlanlage
Für Verdunstungskühlanlagen wie Nasskühltürme oder Nasszellenkühlern ist die Kühlgrenztemperatur die entscheidende Größe bei Planung und Auslegung. Sie bestimmt den Kühlgrenzabstand des Kühlwassers und damit die maximal erreichbare Kühlleistung.
Warum ist das so wichtig? Kühltürme arbeiten hauptsächlich mit latenter Verdampfungswärme. Das Wasser wird gekühlt, indem ein Teil davon verdunstet und dabei der Umgebung Wärme entzieht. Die Feuchtkugeltemperatur der Umgebungsluft setzt dabei die physikalische Grenze – tiefer lässt sich das Wasser nicht kühlen.
Checkliste: Auslegung von Verdunstungskühltürme
Bei der Planung einer Kühlturmanlage müssen folgende Parameter berücksichtigt werden:
- Höchste zu erwartende Feuchtkugeltemperatur des Standorts (typischerweise im Sommer)
- Wasserdurchflussrate der Anlage
- Gewünschte Einlasstemperatur des zu kühlenden Wassers
- Zieltemperatur am Auslass
- Annäherung: Ein Verdunstungskühlturm bringt das Kühlwasser auf ca. 2,8 bis 3,9 °C über der aktuellen Feuchtkugeltemperatur
Eine niedrigere Feuchtkugeltemperatur bedeutet trockenere Luft, die mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Das Ergebnis: effektivere Kühlung und bessere Leistung der Anlage.
Effekt bei heißem Wetter: Warum Verdunstungskühlung so effizient ist
Gerade an heißen Sommertagen zeigt sich die Überlegenheit der Verdunstungskühlung gegenüber anderen Systemen. Während luftgekühlte Anlagen von der hohen Außentemperatur limitiert werden, orientiert sich die Verdunstungskühlung an der deutlich niedrigeren Feuchtkugeltemperatur.
Ein Beispiel aus der Praxis:
- Trockenkugeltemperatur (Lufttemperatur): über 35 °C
- Feuchtkugeltemperatur: nur 22 °C
- Erreichbare Kühlwassertemperatur: etwa 25 °C
Diese Technologie kann also niedrigere Kühlwassertemperaturen erzielen, da sie von der Feuchtkugeltemperatur und nicht von der Trockenkugeltemperatur abhängt.
Klimawandel und steigende Anforderungen
Studien aus Deutschland zeigen eine statistisch signifikante exponentielle Zunahme der Feuchtkugeltemperatur bis 2100. Je nach Klimaszenario werden Anstiege zwischen 1,6 °C und 3,4 °C erwartet. Die Erhöhung der Trockentemperatur ist dabei der entscheidende Faktor. Diese Entwicklung hat besondere Bedeutung für thermische Kraftwerke und deren Kühlsysteme.
Messung der Feuchtkugeltemperatur: Das Psychrometer
Das Messen der Feuchtkugeltemperatur erfolgt mit einem Psychrometer – einem erstaunlich einfachen, aber präzisen Instrument. Es besteht aus zwei Thermometern:
- Trockenthermometer: Misst die normale Lufttemperatur
- Feuchtthermometer (Feuchtkugel): Der Thermometerkolben ist mit einem dünnen, befeuchteten Tuch oder Watte überzogen
Durch das Verdampfen des Wassers entzieht das Tuch der Kugel Wärme, wodurch die Temperatur sinkt. Wenn das Thermometer gut belüftet (gewirbelt) wird und die Temperatur ihren tiefsten Punkt erreicht, kann die Feuchtkugeltemperatur abgelesen werden.
Die gemessene Feuchtkugeltemperatur ist eine Funktion der relativen Luftfeuchtigkeit und der Umgebungslufttemperatur.
Berechnen: Formeln und Rechner für die Feuchtkugeltemperatur
Da die Feuchtkugeltemperatur nicht immer direkt gemessen werden kann – insbesondere in Klimamodellen oder für Planungszwecke – wird sie berechnet. Die Berechnung basiert auf:
- Trockenkugeltemperatur (T)
- Relativer Luftfeuchtigkeit (RH)
- Luftdruck
Die Stull-Formel: Bewährte Berechnungsmethode
Eine verbreitete Methode ist die empirische Stull-Formel. Diese Gleichung ermöglicht die Berechnung der Feuchtkugeltemperatur auf Meereshöhe (101,325 kPa) und gilt für:
- Temperaturen zwischen -20 °C und 50 °C
- Relative Luftfeuchtigkeiten zwischen 5 % und 99 %
Hierbei werden die Temperatur T in °C und die relative Feuchte RH in % eingesetzt.
Alternative Methoden: Iterative Verfahren liefern bei der Validierung oft bessere Ergebnisse. Diese können durch die Auflösung thermodynamischer Gleichungen hergeleitet werden, die Enthalpien und Massenströme berücksichtigen.
Online-Rechner für die Feuchtkugeltemperatur
Für die schnelle und unkomplizierte Berechnung der Feuchtkugeltemperatur stehen verschiedene Online-Rechner zur Verfügung. Diese digitalen Tools nehmen Ingenieuren und Planern die komplexe manuelle Berechnung ab.
Die meisten Rechner funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Der Nutzer gibt die aktuellen Messwerte ein – typischerweise die Lufttemperatur (Trockenkugeltemperatur), die relative Luftfeuchtigkeit und optional den Luftdruck oder die Höhe über dem Meeresspiegel. Der Rechner berechnet dann automatisch die Feuchtkugeltemperatur und zeigt oft zusätzliche Parameter wie den Taupunkt oder die absolute Feuchte an.
Bewährte Online-Tools finden sich beispielsweise unter:
Diese Rechner nutzen im Hintergrund validierte Formeln wie die Stull-Formel oder iterative Verfahren und liefern innerhalb von Sekunden präzise Ergebnisse. Besonders praktisch: Viele Tools ermöglichen auch die Umrechnung zwischen verschiedenen Einheiten und berücksichtigen unterschiedliche Luftdruckverhältnisse.
Das hx-Diagramm: Visualisierung der Kühlgrenztemperatur
Das Mollier-hx-Diagramm ist ein fundamentales Werkzeug der Thermodynamik. Es visualisiert die Zustandsgrößen feuchter Luft und macht Zustandsänderungen wie Heizung, Kühlung und Befeuchtung berechenbar.
Wie die Kühlgrenztemperatur im Diagramm erscheint
Im hx-Diagramm ist die Kühlgrenztemperatur definiert durch den Schnittpunkt der verlängerten Nebelisotherme durch den aktuellen Luftzustand mit der Sättigungslinie (φ = 100 %).
Bei der adiabaten Befeuchtung – dem Prozess, der in Verdunstungskühlsystemen abläuft – strömt die Luft theoretisch entlang der verlängerten Nebelisotherme. In der Praxis wird oft vereinfachend mit konstanter Enthalpie (h = konst.) gerechnet.
Wichtiger Unterschied: Die Feuchtkugeltemperatur (Kühlgrenztemperatur) ist nur dann gleich der konstanten Enthalpie, wenn der Verdunstungsprozess keine zusätzlichen Energieverluste oder -gewinne aufweist.
Eine hx-Diagramm-Software ermöglicht die Berechnung der Feuchtkugeltemperatur als eine der bestimmenden Zustandsgrößen – ein praktisches Werkzeug für Planungsingenieure.
Bedeutung der Feuchtkugeltemperatur für den Menschen
Die Feuchtkugeltemperatur ist nicht nur für Kühlsysteme relevant – sie ist ein kritischer Indikator für Hitzestress und die Fähigkeit des menschlichen Körpers zur Wärmeregulation.
Wie der Mensch sich durch Verdunstung kühlt
Der menschliche Körper reguliert seine Temperatur durch Schwitzen. Wenn Schweiß verdunstet, wird der Haut Wärme entzogen. An Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit ist die Luft bereits mit Feuchtigkeit gesättigt, sodass Schweiß nur langsam oder gar nicht verdunstet.
Die Feuchtkugeltemperatur gibt die niedrigste Temperatur an, auf die unsere Haut durch Schwitzen abkühlen könnte.
Gefährliche Grenzwerte – Wann wird es tödlich?
Wenn die Feuchtkugeltemperatur über einen längeren Zeitraum 35 °C übersteigt, besteht akute Lebensgefahr durch Hyperthermie (Überhitzung). Der Körper des Menschen kann selbst unter optimalen Bedingungen (im Schatten, ruhend) die Stoffwechselwärme nicht mehr abführen.
Orientierungswerte:
- 22 °C: Angenehme Feuchtkugeltemperatur
- 30 °C: Grenze, ab der körperlich anstrengende Aktivitäten nahezu unmöglich werden
- 35 °C: Tödliche Grenze bei längerer Exposition
Der WBGT-Index: Präzise Messung des thermischen Stresses
Um die gefühlte Temperatur und den thermischen Stress präziser zu quantifizieren, wird in der Human-Biometeorologie die Feuchtkugeltemperatur in den WBGT-Index (Wet-Bulb Globe Temperature) einbezogen.
Die WBGT-Gleichung für Außenbereiche (mit Sonneneinstrahlung) lautet:
Dabei berücksichtigt der Index neben der Feuchtkugeltemperatur (T_w) und der Trockentemperatur (T) auch die Strahlungswärme (Globaltemperatur T_g) und die Windgeschwindigkeit.
Der WBGT wird von Sportorganisationen, Militär und Betriebshygienikern genutzt, um Sicherheitsprotokolle zu erstellen und Hitzschläge zu verhindern.
Weitere Anwendungen der Feuchtkugeltemperatur
Neben der Kühltechnik und der Human-Biometeorologie findet die Feuchtkugeltemperatur in mehreren Bereichen praktische Anwendung:
Checkliste: Wo die Feuchtkugeltemperatur eine Rolle spielt
- Bauwesen: Verschiedene Baumaterialien reagieren unterschiedlich auf Luftfeuchtigkeit. Die Feuchtkugeltemperatur wird zur Planung von Gebäuden in verschiedenen Klimazonen benötigt.
- Kunstschneeproduktion: Die Effektivität von Schneeproduktionsanlagen hängt stark von der Feuchtkugeltemperatur ab. Schnee kann auch bei Lufttemperaturen leicht über dem Gefrierpunkt produziert werden, wenn die Feuchtkugeltemperatur niedrig genug ist.
- Meteorologie und Luftfahrt: Meteorologen nutzen die Feuchtkugeltemperatur zur Vorhersage von Wetterphänomenen wie Regen oder Schnee. Piloten berücksichtigen sie zur Beurteilung der Motorleistung und der potenziellen Eisbildung am Flugzeug.
- Zusammenhang mit dem Taupunkt: Während der Taupunkt angibt, bei welcher Temperatur Wasser zu kondensieren beginnt, zeigt die Feuchtkugeltemperatur die Kühlgrenze durch Verdunstung.
Mit dem Klimawandel und steigenden Temperaturen gewinnt die Feuchtkugeltemperatur zunehmend an Bedeutung – sowohl für die technische Planung als auch für die Gesundheit des Menschen.
Termine unserer VDI 2047 Schulungen
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25.11.2025, 27.11.2025, 11.12.2025
FAQ: Feuchtkugeltemperatur und Kühlgrenztemperatur
Die Feuchtkugeltemperatur ist die niedrigste Temperatur, die Luft durch Verdunstung von Wasser erreichen kann. Sie wird auch als Kühlgrenztemperatur bezeichnet und liegt immer unter der normalen Lufttemperatur – außer bei 100 % Luftfeuchtigkeit.
Mit einem Psychrometer: Ein Thermometer mit trockenem Kolben misst die Lufttemperatur, ein zweites mit befeuchtetem Tuch misst die Feuchtkugeltemperatur. Durch Verdunstung kühlt das befeuchtete Thermometer ab und zeigt den tiefsten erreichbaren Wert an.
Sie bestimmt die Leistungsgrenze der Anlage. Ein Verdunstungskühlturm kann Wasser nur bis ca. 3-4 °C über der Feuchtkugeltemperatur kühlen. Je niedriger die Feuchtkugeltemperatur, desto effektiver die Kühlung.
Die Berechnung erfolgt mit der Stull-Formel anhand von Lufttemperatur, relativer Luftfeuchtigkeit und Luftdruck. Alternativ gibt es iterative Verfahren oder Online-Rechner, bei denen man die Messwerte eingibt und die Feuchtkugeltemperatur automatisch berechnet wird. Diese Tools liefern innerhalb von Sekunden präzise Ergebnisse.
Der Taupunkt gibt an, bei welcher Temperatur Wasser zu kondensieren beginnt. Die Feuchtkugeltemperatur zeigt die Kühlgrenze durch Verdunstung. Die Feuchtkugeltemperatur liegt zwischen Taupunkt und Lufttemperatur.
Expertenwissen
Die Trockenkugeltemperatur ist die normale Lufttemperatur, die mit einem gewöhnlichen Thermometer gemessen wird. Sie wird auch einfach als Lufttemperatur bezeichnet und ist die tatsächliche Temperatur der feuchten Luft. Im Gegensatz zur Feuchtkugeltemperatur wird sie mit einem trockenen Thermometer ohne befeuchteten Überzug gemessen.
Im Nasskühlturm wird Wasser versprüht und ein Teil verdunstet, wodurch große Mengen Verdunstungskälte entstehen. Trockenkühltürme verwenden dagegen ein geschlossenes Wasserkreislaufsystem, bei dem das Wasser in Rohren zirkuliert und nur durch Wärmeleitung über die Luft gekühlt wird. Nasskühltürme sind effizienter, während Trockenkühltürme weniger Wasser verbrauchen, aber größer gebaut werden müssen.
Latente Wärme ist die Energie, die eine Substanz beim Wechsel ihres Aggregatzustands aufnimmt oder abgibt – ohne dass sich dabei die Temperatur ändert. Bei der Verdampfung von Flüssigkeit zu Gas spricht man von latenter Verdampfungswärme. „Latent“ kommt vom Lateinischen und bedeutet „verborgen“, da die Wärme aufgenommen wird, ohne dass eine Temperaturerhöhung messbar ist. Diese latente Verdampfungswärme ist das physikalische Grundprinzip der Verdunstungskühlung.